Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Leasing-Gesellschaften sind mittelbar betroffen
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist seit dem 1. Januar 2023 in Kraft und regelt die unternehmerische Verantwortung, Menschenrechte und bestimmte Umweltschutzvorschriften in den globalen Lieferketten einzuhalten. Hierzu gehören beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie die Einhaltung von Umweltabkommen. Das deutsche Gesetz gilt seit 2024 für in Deutschland ansässige Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern im Inland. Diese Kriterien erfüllen rund 4.800 Firmen. Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten können Bußgelder bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes nach sich ziehen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert die Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Obwohl das Lieferkettengesetz in erster Linie Unternehmen der Realwirtschaft adressiert, betreffen die Regelungen auch Leasing-Gesellschaften, sofern sie die Schwellenwerte erreichen. Das BAFA hat Leitlinien veröffentlicht, die die Anwendung des Gesetzes auf die Finanzwirtschaft klären. Ein Leitfaden des BDL unterstützt Leasing-Unternehmen bei ihrer Risikoanalyse. Das kürzlich verabschiedete EU-Lieferkettengesetz wird die Pflichten erweitern und eine zivilrechtliche Haftung einführen.
Sorgfaltspflichten: erhöhter bürokratischer Aufwand
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz stellt immer mehr Unternehmen vor große Herausforderungen. Nahezu jedes Unternehmen ist direkt oder indirekt betroffen. Die Anforderungen an Unternehmer und das Risikomanagement in Bezug auf Lieferanten, Kunden und Geschäftspartner steigen erheblich. KMU sind dabei überproportional getroffen. Nach einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bei 2.400 international tätigen Unternehmen im vergangenen Jahr sehen sich etwa die Hälfte der Unternehmen (45 Prozent) aller Größenklassen mit Herausforderungen bei der Umsetzung des LkSG konfrontiert. Auf Platz eins stand dabei für 93 Prozent der erhöhte bürokratische Aufwand, den vor allem neue Berichts- und Dokumentationspflichten mit sich bringen.
Zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören:
- Einrichtung eines Risikomanagements und Durchführung einer Risikoanalyse
- Verabschiedung einer Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie
- Verankerung von Präventionsmaßnahmen
- sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen
- Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
- Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten
Die starken Belastungen in der Praxis sind auch in der Politik angekommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich bereits für Änderungen am deutschen Lieferkettengesetz ausgesprochen. Die deutsche Wirtschaft müsse „Luft zum Atmen" bekommen, sagte er mit Blick auf Berichtspflichten. Das LkSG müsse schlanker, freundlicher und pragmatischer werden, zitiert die Nachrichtenagentur dpa Ende April den Bundeswirtschaftsminister.
Themen im Überblick
Mittelbare Betroffenheit der Leasing-Branche
Auch für Leasing-Gesellschaften, die aufgrund ihrer Größe nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, ergibt sich häufig eine mittelbare Betroffenheit: Als Lieferanten der gesetzlich verpflichteten Unternehmen müssen sie nun auch auskunftsfähig sein. Denn Leasing-Gesellschaften werden in der Regel als unmittelbare Zulieferer ihrer Kunden angesehen und die Kunden adressieren ihre menschenrechtlichen Erwartungen gegenüber den Leasing-Gesellschaften. Der risikobasierte Ansatz des Gesetzes sieht allerdings vor, dass sich die verpflichteten Unternehmen auf die Teile der Lieferkette konzentrieren sollen, die menschenrechtliche Risiken aufweisen. Umgekehrt bedeutet dies, dass ohne festgestelltes Risiko keine Präventionsmaßnahmen gegenüber Leasing-Gesellschaften zu ergreifen und insbesondere vertragliche Zusicherungen der Leasing-Gesellschaften gegenüber ihren Leasing-Nehmern entbehrlich sind.
BDL-Leitfaden zur Erstellung einer Risikoanalyse
Ein zentraler Baustein des LkSG ist die Risikoanalyse. Diese verfolgt das Ziel, Kenntnis über die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette zu erlangen und für die weitere Bearbeitung zu priorisieren. Der BDL hat deshalb zusammen mit der Beratungsgesellschaft „Dr. Heger + Experten“ Praxishinweise erarbeitet, die Leasing-Gesellschaften dabei unterstützen sollen, eine solche Risikoanalyse durchzuführen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei weniger auf dem eigenen Geschäftsbereich als vielmehr auf den Lieferantenbeziehungen der Leasing-Gesellschaften.
Lieferkette von Leasing-Gesellschaften
Von besonderer Bedeutung ist, welche Aktivitäten und Geschäftspartner zur Lieferkette einer Leasing-Gesellschaft gehören.
Aufschluss hierüber gibt die Handreichung zur Anwendung des LkSG auf die Kredit- und Versicherungswirtschaft, die das BAFA als zuständige Aufsichtsbehörde über die Einhaltung der Pflichten nach dem Lieferkettengesetz Mitte 2023 veröffentlicht hat. Das BAFA beantwortet insbesondere die Frage, wer als Lieferant (unmittelbarer Zulieferer) einer Leasing-Gesellschaft und damit als Teil der Lieferkette einer Leasing-Gesellschaft anzusehen ist.
Die BAFA stellte fest, dass grundsätzlich der Lieferant des Leasing-Objektes unmittelbarer Zulieferer der Leasing-Gesellschaft ist und damit Bestandteil der Lieferkette der Leasing-Gesellschaft. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt der sogenannte Bestelleintritt dar. Bei diesem Modell hat der Leasing-Nehmer das Investitionsgut bereits beim Lieferanten erworben und die Leasing-Gesellschaft tritt zu Finanzierungszwecken in den geschlossenen Kaufvertrag ein. Für diesen Fall, so konstatierte das BAFA, ist der Lieferant des Leasing-Objektes kein Bestandteil der Lieferkette der Leasing-Gesellschaft. Entsprechend treffen die Leasing-Gesellschaften bezüglich dieses Lieferanten keine Sorgfaltspflichten nach dem LkSG.
Keine Dopplung des Pflichtenprogramms beim Bestelleintritt
Der BDL hatte gegenüber dem BAFA argumentiert, dass der Eintritt der Leasing-Gesellschaft in den bereits zwischen Lieferanten und späteren Leasing-Nehmer geschlossenen Kaufvertrag ausschließlich zu Finanzierungszwecken erfolgt und angesichts des Schutzzweckes des LkSG die Vertragsbeziehung zwischen Lieferanten und Leasing-Nehmer die maßgebliche Lieferkettenbeziehung ist,
erläutert Boris Dassen, Vorsitzender des BDL-Rechtsausschusses. Der Leasing-Gesellschaft als Finanzierer zusätzlich zum Leasing-Nehmer Sorgfaltspflichten gegenüber dem Lieferanten des Objektes aufzuerlegen, würde hingegen zu einer Doppelung des Pflichtenprogramms führen. Da der Kaufvertrag bereits geschlossen ist, würde die doppelte Prüfung keinen Mehrwert bieten.
Dies zeigt auch der Vergleich zur Darlehensfinanzierung durch Banken, die ebenfalls keine Sorgfaltspflichten gegenüber den Verkäufern der von ihnen finanzierten Objekte zu erfüllen haben. Auch hier treffen die Sorgfaltspflichten des LkSG richtigerweise allein den Käufer des finanzierten Objektes“, führt Dassen aus.
Für Leasing-Gesellschaften kommen als (unmittelbare) Zulieferer damit
- insbesondere Dienstleister zum Beispiel für Lagerung/Transport/EDV, Refinanzierungspartner – sofern im Einzelfall eine konkret nachvollziehbare Zweckbindung zwischen dem Refinanzierungsgeschäft und der Finanzdienstleistung besteht – und
- Lieferanten der Leasing-Objekte in Betracht, bei denen die Leasing-Gesellschaft das Leasing-Objekt originär bestellt, ohne in eine vorherige Bestellung zwischen Leasing-Nehmer und Lieferant eingetreten zu sein oder ohne diese durch Aufhebung und Neuabschluss übernommen zu haben.
Ausblick: EU-Lieferkettengesetz
Inzwischen wurde auch das umstrittene EU-Lieferkettengesetz verabschiedet und muss in nationales Recht umgesetzt werden. Neben einer breiteren Lieferkettendefinition wird mit der Richtlinie erstmals eine zivilrechtliche Haftung für die Verletzung der Sorgfaltspflichten eingeführt. Der BDL wird die leasingspezifischen Besonderheiten der Lieferkette gegenüber dem deutschen Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie erneut adressieren und sich insbesondere für die Beibehaltung der mit dem BAFA abgestimmten Verwaltungspraxis zum Bestelleintritt einsetzen.