Standortsicherung: Deutschland braucht eine international wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung
Die Diagnose ist klar: Deutschland ist im internationalen Vergleich ein absolutes Hochsteuerland. Die Ertragsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften liegt in unserem Land bei 29,9 Prozent. Im OECD-Durchschnitt beträgt sie lediglich 23,6 Prozent, im EU-Mittel sogar nur 21,1 Prozent. Diese von der OECD erhobenen Zahlen basieren auf den nominalen Steuersätzen, die für internationale Investoren eine große Signalwirkung haben. Nicht viel besser sieht es bei der effektiven Steuerbelastung aus, die Steuervergünstigungen, Abschreibungsmöglichkeiten und andere Einflüsse auf die Steuerbemessungsgrundlage mitberücksichtigt. Hier ergibt sich für Deutschland nach jüngsten Berechnungen der OECD und des IW Köln ein Wert von 26,6 Prozent, der immer noch deutlich höher liegt als bei den anderen G7-Staaten (außer Japan) und unseren europäischen Nachbarn.
Während die meisten anderen internationalen Player ihre nominalen Steuersätze in den vergangenen 15 Jahren zum Teil erheblich gesenkt haben, tritt Deutschland seit der letzten großen Unternehmenssteuerreform 2008 auf der Stelle. Minus 13,4 Prozentpunkten in den USA, minus 9,8 in Japan und rund minus 9,0 Prozentpunkten im Vereinigten Königreich sowie in Frankreich steht ein sogar um 0,4 Prozentpunkte höherer Satz in Deutschland gegenüber (Quelle: OECD/IW Köln). In Sachen steuerlicher Wettbewerbsfähigkeit wurde Deutschland nach und nach bis fast ans Tabellenende durchgereicht.
Neben der unmittelbaren Steuerbelastung leiden in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen an systemischen Defiziten und in der Folge an übermäßigen Bürokratie- und Befolgungskosten. Dies betrifft insbesondere den deutschen Sonderweg der Gewerbesteuer.
Mit ihrer abweichenden Bemessungsgrundlage, der komplexen Betriebsstätten-Zerlegung und der widersinnigen Hinzurechnung von Aufwandsgrößen ist die antiquierte und international unübliche Gewerbesteuer für einen Großteil der konzeptionellen Probleme in der Unternehmensbesteuerung verantwortlich,
erklärt BDL-Geschäftsführer Dr. Martin Vosseler.
Als steuersystematischer Fremdkörper stehe sie auch europäischen Harmonisierungsbestrebungen im Weg.
Leider bringt die Politik seit vielen Jahren nicht die Kraft auf, um die Unternehmensbesteuerung grundlegend zu modernisieren und insbesondere die Steuerbelastung auf ein international wettbewerbsfähiges Maß abzusenken. So werden die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zunehmend zu einem Standortnachteil,
kritisiert Dr. Vosseler.
„Nach Jahren des steuerpolitischen Stillstands bestand bei Vorlage des Regierungsentwurfs für ein Wachstumschancengesetz zunächst die Hoffnung, dass es wenigstens zu graduellen Entlastungen und zu punktuellen Investitionsimpulsen angesichts einer am Boden liegenden Wirtschaft kommen würde“, so Vosseler weiter. Als Kernstück des Gesetzespakets war die Einführung einer 15-prozentigen Investitionsprämie für Klimaschutzinvestitionen vorgesehen. Die Verlustrücktragsmöglichkeiten sollten verbessert und die sogenannte Mindestgewinnbesteuerung vorübergehend abgemildert werden. Für einen Zeitraum von 15 Monaten sollte die degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter wieder eingeführt werden. Ferner war eine Anhebung der Wertgrenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 800 auf 1.000 Euro geplant. Insgesamt wurde ein Entlastungsvolumen von rund 7 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Auf der Kehrseite der Medaille stand unter anderem eine erhebliche Verschärfung der sogenannten Zinsschranke, insbesondere im Bereich der Leasing-Objektgesellschaften. „Ferner war eine Ausweitung der bereits 2020 eingeführten – in der Praxis ebenso bürokratischen wie wirkungslosen – Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auf reine Inlandssachverhalte geplant“, erläutert der Geschäftsführer.
Wachstumschancengesetz: Tropfen auf dem heißen Stein
Nach langem Ringen zwischen Bund und Ländern im Vermittlungsausschuss wurde das Wachstumschancengesetz schließlich mit rund viermonatiger Verspätung und inhaltlich erheblich geschrumpft Ende März 2024 verabschiedet. Das Entlastungsvolumen wurde mehr als halbiert und beträgt nur noch 3,2 Milliarden Euro. Auf das zentrale Element der Klimaschutzprämie wurde komplett verzichtet, die degressive AfA hat man auf neun (!) Monate und einen Höchstsatz von 20 Prozent begrenzt. Auch die verbesserten Verlustrücktragsmöglichkeiten und die erweiterte Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter sind dem Rotstift zum Opfer gefallen.
„Anfänglicher Optimismus ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens starker Ernüchterung gewichen. Waren bereits die ursprünglichen 7 Milliarden Euro Entlastungvolumen im internationalen Vergleich – Stichwort: US Inflation Reduction Act – wenig ambitioniert, so ist das jetzt erzielte Ergebnis von rund 3 Milliarden Euro nur noch ein Tropfen auf den heißen Stein“, erklärt Dr. Vosseler. In dieser Form lasse das Wachstumschancengesetz die dringend benötigten Konjunktur- und Investitionsimpulse vermissen. „Einer international wettbewerbsfähigen Unternehmensbesteuerung hat uns das jedenfalls nicht nähergebracht. Wenigstens ist es dem BDL gelungen, die fatalen Folgen der neuen Zinsschrankenregelung für Objektgesellschaften abzuwenden.“
Es bleibe zu hoffen, dass die Bundesregierung die Zeichen der Zeit erkennt und ein Wachstumsgesetz auf den Weg bringt, das diesen Namen auch verdient. Ein erster Schritt könnte in der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags bestehen, der vor allem Unternehmen und Unternehmer belastet. Auch eine unbefristete Wiedereinführung der degressiven AfA – mindestens mit dem früheren Satz von 25 Prozent – würde die steuerlichen Rahmenbedingungen für betriebliche Investitionen spürbar verbessern. Im Bereich der besonders reformresistenten Gewerbesteuer sollte zumindest das Problem der substanzbelastenden Hinzurechnung von Finanzierungskosten und anderen Aufwandsgrößen angegangen werden. „Dies alles wird noch nicht dazu führen, dass die Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von maximal 25 Prozent gesenkt wird. Es wäre jedoch ein erster Schritt, um der fortschreitenden Erosion der Standortqualität entgegenzuwirken und Deutschland im Vergleich zu seinen internationalen Wettbewerbern wieder attraktiver zu machen.“