Schwerpunkte der Verbandsarbeit

Im Gespräch mit Präsident Kai Ostermann und Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conen

Präsident Kai Ostermann und Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conen sprechen über die Folgen des Investitionsdefizits in Deutschland, notwendige Anreize für Zukunftsinvestitionen und die Bedeutung von Leasing für die erfolgreiche Transformation, insbesondere für die Realisierung der Energiewende. Das Gespräch wurde im Juni 2023 geführt.

Die deutsche Wirtschaft ist kraftlos ins Jahr gestartet. Es fehlt an wirtschaftlicher Dynamik. Wie blicken Sie auf das laufende Jahr?

Kai Ostermann: Einige Hemmnisse des vergangenen Jahres haben sich zwar inzwischen aufgelöst: So kommen die Lieferketten wieder in Fluss und auch die Energiepreise sinken. Doch bleibt die Investitionstätigkeit weiter gedämpft. Unternehmen zögern zu investieren, solange die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten anhalten. Gleichzeitig senkt die Inflation die Konsumbereitschaft der Haushalte. Die große wirtschaftliche Erholung, die wir zu Beginn des vergangenen Jahres erhofft hatten, wird auch 2023 ausbleiben.

Also kein guter Ausblick auf die nächsten Monate?

Ostermann: Uns gibt die Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen, eine für unsere Branche wichtige Kennziffer, Anlass zur Sorge: Die Investitionen in Fahrzeuge, Maschinen und Geräte sollen im laufenden Jahr nur moderat wachsen. Der Investitionsstau, den die Unternehmen aus den Pandemiejahren mitgenommen haben, wird dadurch nicht aufgelöst. Das IW Köln beziffert das bestehende Investitionsdefizit in Deutschland auf 75 Milliarden Euro. Die schlechte Investitionsdynamik wird erneut zur Achillesferse für unseren Wirtschaftsstandort. Unternehmen überlegen inzwischen dreimal, ob sie am Standort Deutschland investieren oder grundsätzlich lieber ins Ausland verlagern. Die Investitionsdynamik der deutschen Unternehmen ist weltweit deutlich höher als im Inland. Wenn Investitionen in Deutschland jedoch zu lange ausbleiben, droht sogar eine strukturelle Schädigung der Volkswirtschaft.

Deutschland braucht bedeutend mehr Investitionen, um das Investitionsdefizit auszugleichen und die Wachstumskrise zu bewältigen. Zudem fordern Nachhaltigkeit und die digitale Transformation enorme Investitionsvolumina. Was könnte die Investitionsdynamik beleben?

Ostermann: Dafür braucht es viele Maßnahmen, die ineinandergreifen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen für Unternehmensinvestitionen verbessern. Entscheidend sind steuerliche Reformen, die Schaffung von Investitionsanreizen und der Abbau von Bürokratie. Nach wie vor ist Deutschland im europäischen Vergleich Höchststeuerland. Firmen in Deutschland mussten 2022 im Schnitt rund 29 Prozent Unternehmenssteuern zahlen. Der EU-Durchschnitt lag bei knapp 19 Prozent. Eine Zielgröße von 25 Prozent für Unternehmenssteuern würde Deutschland zumindest ins europäische Mittelfeld bringen.

Dr. Claudia Conen: Deutschland ist nicht nur bei den Unternehmenssteuern führend, wir sind auch Weltmeister in Sachen Bürokratie. Und überbordende Bürokratie kostet Zeit, Geld, bindet personelle Ressourcen, hemmt Innovationen und drückt auf die Investitionsstimmung. Der Bürokratieabbau bleibt daher ein Schlüsselthema für die Wirtschaft, insbesondere für den Mittelstand.

Sie sagen, Deutschland muss unbürokratischer werden. In welchen Bereichen muss sich besonders schnell etwas ändern?

Dr. Conen: Das fängt bei der Digitalisierung der Verwaltung an, geht über den Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur bis hin zu Schnellverfahren zum Beispiel beim Bau von regenerativen Energieanlagen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss sich der Anteil der Erneuerbaren bis 2030 fast verdoppeln. Wind- und Solarenergie müssen dreimal schneller als bisher ausgebaut werden. Doch dauert die Genehmigung eines Windrades bis zu sechs Jahre. 

Ostermann: Nur Ziele auszurufen, reicht nicht. Politik und Behörden müssen sich viel stärker um die Umsetzung kümmern – und dies pragmatisch und vor allem unideologisch. Ansonsten gefährden wir nicht nur die Energiewende, sondern die Wirtschaft und damit den Wohlstand unseres Landes.

Leasing gilt als Investitionsmotor. Welchen Beitrag kann die Branche zur Energiewende leisten?

Ostermann: Leasing ist ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Transformation und Umsetzung der Energiewende. Leasing-Gesellschaften finanzieren eine große Bandbreite von Investitionen in nachhaltige Wirtschaftsgüter. Dies hat eine Umfrage zur Energiewende gezeigt, die wir zu Jahresbeginn unter unseren Mitgliedern realisiert haben. Beispiele sind Investitionen in Photovoltaik- oder Biogas-Anlagen, energieeffiziente Produktionsmaschinen, Umwelttechnik, innovative Technologien wie grünen Wasserstoff sowie Elektrofahrzeuge oder E-Bikes. In diesem Jahresbericht findet man aktuelle Beispiele, wie Leasing-Gesellschaften ihre Kunden unterstützen.

Dr. Conen: Leasing kann als Investitionsmotor wirken. Bei gedämpfter Investitionsstimmung brauchen Unternehmen Anreize für Zukunftsinvestitionen. Öffentliche Förderprogramme können den Markthochlauf von nachhaltigen Wirtschaftsgütern unterstützen. Dabei ermöglicht Leasing Unternehmen den schnellen Wechsel zu neuen Technologien. Das Zusammenspiel von Förderprogrammen und Leasing kann daher die Transformation anschieben und sogar beschleunigen. Doch hält die Politik bei der Konzeption von Fördermaßnahmen häufig am Eigentums- statt am Nutzungsprinzip fest, so dass Leasing in Förderprogrammen und -richtlinien zumeist ausgeschlossen ist. In der schon erwähnten BDL-Umfrage identifizieren unsere Mitglieder den mangelnden Zugang zu Förderprogrammen als echte Hürde für Zukunftsinvestitionen.

Was muss bei der Konzeption der Programme verbessert werden?

Dr. Conen: Leasing-Investitionen müssen für die Förderung zugelassen werden. Wir leben in Zeiten der Sharing Economy, doch in den Genuss von Fördermitteln kommt nur, wer das Wirtschaftsgut auch bilanziert. Das widerspricht den Unternehmensinteressen. Im Unternehmensalltag sind Nutzender und Finanzierer eines Wirtschaftsgutes nicht zwingend identisch. Im Gegenteil: Drei von vier Unternehmen nutzen regelmäßig Leasing für ihre Investitionspläne. Gerade in unsicheren Zeiten bietet Leasing ihnen Planungssicherheit und notwendige Flexibilität. 

Seit geraumer Zeit fordern wir daher von der Politik Finanzierungsart-Offenheit bei der Programmkonzeption. Der Finanzierungsmix, den Unternehmen im Wirtschaftsalltag nutzen, muss auch in Förderprogrammen berücksichtigt werden. Leasing muss vom DigitalPakt Schule über die Einrichtung von Wallboxen, der Anschaffung von schweren Elektro-Nutzfahrzeugen bis hin zur Förderung von Lastenrädern möglich sein. 

Abschließend noch ein Blick in die Zukunft: Welche Themen und Herausforderungen werden den Mittelstand und die mittelständische Leasing-Branche in Zukunft beschäftigen?

Ostermann: Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind sicher die großen Aufgaben für die gesamte Wirtschaft und eine Herausforderung insbesondere für den Mittelstand. Deutschland hängt im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung hinterher. Unternehmen müssen stärker in die digitale Transformation investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies gilt auch in puncto Nachhaltigkeit. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind auf externes Know-how angewiesen. Hier können wir unterstützen. Wenn Leasing-Gesellschaften ihre Kunden bei der Auswahl und Nutzung von nachhaltigen bzw. nachhaltigeren Wirtschaftsgütern beraten, können wir uns gegenüber anderen Finanzierern stärker abgrenzen und Kunden langfristig binden. 

Auf der anderen Seite ergeben sich auch für unsere mittelständische Branche immense Herausforderungen durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung: von der schieren Datenmenge über die Datenerhebung und Interpretation der benötigten Informationen bis hin zur Dokumentation und Offenlegung. All das bindet materielle und personelle Ressourcen, erfordert seinerseits immense IT-Investitionen vom Mittelstand und behindert unsere Branche bei unserer Kernaufgabe: den Mittelstand bei seiner Transformation zu unterstützen. Hier brauchen wir mehr Augenmaß, mehr Proportionalität und eine stärkere Orientierung am tatsächlich Machbaren.  

Dr. Conen: Nachhaltigkeit steht klar im Fokus unserer Verbandsarbeit. Wir unterstützen unsere Mitglieder mit Know-how – von Seminaren und Workshops der BDL-Akademie über die ESG-Toolbox bis hin zu Facharbeitsgruppen. Wir helfen mit Leitfäden und Arbeitshilfen. Auch das Forum Nachhaltigkeit, das erstmals im März dieses Jahres stattgefunden hat, setzen wir im nächsten Jahr fort. 

Klar ist, dass die Herausforderungen der Energiewende und der Transformation insgesamt nur im Schulterschluss von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu bewältigen sind. Der BDL setzt sich dafür ein, dass die mittelständische Branchenstruktur, die die Unternehmenslandschaft in Deutschland widerspiegelt, nicht gefährdet wird. Denn nur dann können wir unsere Aufgabe als Investitionsmotor erfolgreich wahrnehmen – als Mittelstand für den Mittelstand.

Herausforderungen der Energiewende und der Transformation

Die Leasing-Gesellschaften sehen sich hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung vor Herausforderungen bei der Umsetzung gestellt, insbesondere durch die neuen Anforderungen durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).