Gastbeitrag von Prof. Dr. René Schmidpeter Professor an der Berner Fachhochschule und Parmenides Stiftung, München

Nachhaltige Transformation – Unternehmerische Chancen nutzen!

Wir haben lange, vielleicht zu lange, über Nachhaltigkeit nur gesprochen. Nun ist die Zeit des Handelns gekommen. Denn neben der Überwindung der aktuellen Energiekrise, steht die Welt derzeit vor weiteren enormen Herausforderungen. Themen wie der Klimawandel, das rasante und tragische Verschwinden der Artenvielfalt, steigende Einkommens- und Vermögensungleichgewichte, zunehmende Urbanisierung, aber auch der technologische Fortschritt, wie die Digitalisierung sowie Nano- und Biotechnologie, bedürfen einer integrierten und zukunftsorientierten Betrachtung. Die Welt wird jeden Tag schneller, dynamischer und unberechenbarer und der Ruf nach strukturellem Wandel von allen Seiten immer lauter.

Unternehmen als Treiber nachhaltiger Transformation 

Aktuelle Studien des Edelmann Trust Barometer (2022) zeigen, dass es insbesondere die Unternehmen sind, die aus Sicht der Menschen die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft vorantreiben können und sollen. Gleichzeitig setzt die Politik zahlreiche Maßnahmen um: EU-Taxonomie, Lieferkettengesetz, ESG-Richtlinien sowie neue Berichtspflichten (CSRD), die Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle in Zukunft massiv verändern werden. Die Frage, die sich dabei stellt: Wie können Politik, Unternehmen und Gesellschaft positiv zusammenwirken? Wie können aus den umfangreichen Pflichten unternehmerische Chancen entstehen?

Nachhaltigkeit gewinnt in Gesellschaft an Bedeutung 

Wir befinden uns in einer grundlegenden Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Laut Edelman Trust Barometer (2021) berücksichtigen mittlerweile rund 58 Prozent der Konsumenten die Nachhaltigkeitskriterien bei ihrer Kaufentscheidung oder bei der Weiterempfehlung von Produkten. Für 60 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spielt Nachhaltigkeit bei der Wahl ihres Arbeitgebers eine Rolle. Und 66 Prozent der Investoren reflektieren die Nachhaltigkeit bei ihrer Investitionsentscheidung. Die Studie zeigt zudem, dass Unternehmen mit guter ESG-Performance als resilienter in Krisen wahrgenommen werden. Und laut McKinsey & Company wird durch den Fokus auf ESG der Profit nicht reduziert, ganz im Gegenteil: Ein Großteil der Studien zeigt, dass ESG einen positiven Impact auf den Unternehmenswert hat. Daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, sich intensiv mit dem Thema „Nachhaltiges Management“ zu beschäftigen. 

Wie können aus umfangreichen Pflichten unternehmerische Chancen entstehen?

Wer damit beginnt, findet diverse Begrifflichkeiten und Perspektiven: ESG, SDG, CSR, CSRD, Corporate Citizenship, Nachhaltigkeitsmanagement, Nachhaltiges Management, Impact Measurement, Purpose und Kreislaufwirtschaft, und sieht Nachhaltigkeit zunächst als lästige Pflicht. Denn es braucht neue interne Kompetenzen, um den vielfältigen Anforderungen und Ansprüchen aus der Politik Genüge zu leisten. Was dabei oft übersehen wird, sind die Chancen, die in einem unternehmerisch geprägten Nachhaltigkeitsverständnis liegen. Es braucht neben der bürokratischen Pflicht die unternehmerische Kür – genau in dieser liegt die Chance der aktuellen wirtschaftlichen Transformation.

Tipp: Sich von Anfang an mit dem Thema Nachhaltigkeit unternehmerisch zu befassen und es als Chance für Innovation und unternehmerischen Erfolg begreifen. 

Prof. Dr. René Schmidpeter, BFH, Bern, und Parmenides Stiftung, München

Nachhaltigkeit wird zum Profit

Hat man einmal das häufig in den Köpfen vorherrschende Gegensatz-Denken zwischen Profit und Nachhaltigkeit überwunden, entstehen in der nachhaltigen Transformation ganz neue unternehmerische Chancen in Form von neuen Produkten, Dienstleistungen, Geschäftsmodellen, Managementansätzen und Innovationen. Kurz gesagt: Nachhaltigkeit wird zum unternehmerischen Profit und hilft, sich fit für die Zukunft aufzustellen. 

Chance-Maker schneiden alte ideologische Zöpfe ab

Dieses innovative Nachhaltigkeitsverständnis sowie neue Lösungsansätze kommen von proaktiven Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Change-Makern, die sich nicht an alte Konzepte und Ideologien halten. Pragmatische Unternehmer, die neue und hoch profitable Geschäftsmodelle entwickeln, WEIL sie der Gesellschaft nützen. Investoren, die immer häufiger erkennen, dass Investitionen in nachhaltige Unternehmen nicht weniger, sondern einen höheren Return on Investment erzielen. Junge BWL-Studierende, die sich nicht länger zwischen Karriere und einem wertebasierten Leben entscheiden müssen, sondern mit Sinn und positiven gesellschaftlichen Impact gutes Geld verdienen wollen. Und innovative Professoren, die die alten Annahmen der Betriebswirtschaftslehre konsequent hinterfragen. 

Gegensatzdenken überwinden

All diesen Change-Makern ist eines gemein: Sie konstruieren die Welt nicht im Gegensatz (Trade-off) bzw. linear entlang überholter Theorien. Statt in Knappheiten zu denken, sehen sie die Fülle der unternehmerischen Möglichkeiten und die systemische Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg und Nachhaltigkeit. Es geht nicht mehr nur darum nächstes Jahr X Prozent effizienter zu werden und/oder den Umsatz um Y Prozent zu steigern. Es geht nicht mehr nur um die Frage, wie ich den Output erhöhen und gleichzeitig den Input senken kann. Vielmehr gilt es, kreative neue Möglichkeitsräume ohne Gegensatzdenken zu schaffen und darin systematisch unternehmerisch einen positiven Impact zu generieren. 

Dazu sollte jedes Unternehmen eine eigene VISION für sein Geschäftsmodell finden, welches positive Antworten auf die Fragen der Stakeholder sowie die gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen gibt. Oft hilft dabei die Frage: Was ist unser Beitrag zur aktuellen gesellschaftlichen Transformation? 

Neues Mindset und Know-how notwendig

Kein Entscheidungsträger sollte sich die Chancen nehmen lassen, die sich aus den aktuellen Nachhaltigkeitsanforderungen ergeben. Was ist dazu notwendig? Ein neues Mindset und Know-how im Bereich des Nachhaltigen Managements. Wie kann man dieses aufbauen? Durch Vernetzung, Weiterbildung und konkrete abteilungsübergreifende Zusammenarbeit am Thema. Sind es doch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die laut einer aktuellen Studie von Oxford Globescan (2021) der wichtigste Hebel in der Nachhaltigkeitstransformation des Unternehmens sind. 

Laut dem IBM Institute for Business Values (2022) würden rund 30 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job wechseln, um für ein nachhaltiges Unternehmen zu arbeiten. Die Schulung und Weiterentwicklung im Bereich Nachhaltigkeit ist daher ein wichtiger Schlüssel, um Fachkräfte zu gewinnen bzw. zu halten und gleichzeitig, um den Mitarbeitenden die notwendige Orientierung in der anstehenden Nachhaltigkeitstransformation zu geben. 

Fazit

Ähnlich wie im Übergang von der Agrar- in die Industriegesellschaft, müssen wir auch in der gegenwärtigen Wirtschaftstransformation vieles neu denken. Der gegenwärtige, oft als Zeitenwende bezeichnete Wandel wird weitreichender für uns alle sein als die Industrialisierung vor rund 200 Jahren. Auch damals hatte sich die Wirtschaft grundlegend verändert. Die Transformation positiv zu gestalten und uns in diesen herausfordernden Zeiten wechselseitig Orientierung zu geben, ist unser gemeinsamer gesellschaftlicher Auftrag und eine unternehmerische Jahrhundert-Chance zugleich. Denn aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise entsteht die Notwendigkeit und Möglichkeit, neue wirtschaftliche Strukturen zu schaffen, die eine globale nachhaltige Entwicklung für über acht Milliarden Menschen in einem digitalen Zeitalter erlauben.

Prof. Dr. René Schmidpeter steht als innovativer Vordenker für einen Paradigmenwechsel in der Betriebswirtschaftslehre (BWL) und in der Nachhaltigkeitsdiskussion. Er ist ein internationaler anerkannter Experte für Strategisches Management, Unternehmenstransformation und Globale Nachhaltigkeitsentwicklungen. In den vergangenen zehn Jahren veröffentlichte er in seinen deutsch- und englischsprachigen Managementreihen mehr als 200 Beiträge zum Thema CSR, Sustainability, Governance und Ethik im Springer Gabler Verlag. Er ist Berater und Mitgestalter in nationalen und internationalen Nachhaltigkeitsinitiativen und Think-Tanks (Großbritannien, USA, Australien, Indien, China, Japan, Österreich, Deutschland und Slowenien). Derzeit lehrt er als Professor an der BFH in Bern, ist Research Scientist in der Parmenides Foundation und Mitbegründer der Tetranomics SE in München.

Der Gastbeitrag basiert auf Gedanken, die in unterschiedlicher Weise unter anderem im FAZ-Magazin Verantwortung, The Reporting Times, IM+io Magazin, forum Nachhaltig Wirtschaften, Kleine Kniffe, Springer Professional sowie bei der Julius Raab Stiftung publiziert wurden sowie auf zahlreichen öffentlichen Vorträgen, die nach Ansicht des Autors die konzeptionelle Basis für ein neues Wirtschaftsverständnis legen.

In „Gewinne Zukunft" zum Thema Nachhaltiges Management zeigt Prof. René Schmidpeter, wie ein neues Management-Paradigma, jenseits des alten Gegensatz-Denken zwischen Profit und Nachhaltigkeit aussieht.